Kornelia S., 30 Jahre, Dipl. Philologin, Promotionsstipendiatin
„Ich bin auf der Suche nach Arbeit, innerer Ruhe, nach meinem im Frühjahr vergangenen Jahres verlorengegangenen Optimismus. Noch habe ich es nicht aufgegeben zu hoffen, zu träumen…“
Heute morgen hörte ich die Meldung: Waffenstillstand im Kampf der Aliierten gegen die irakischen Truppenverbände. Endlich, doch was ist das Fazit des Krieges? Eine noch nicht genau bekannte Zahl an Toten, Verletzten und Obdachlosen, viele zerbombte Häuser sowie (das kündigten namhafte Forscher an) verheerende ökologische Folgen. Die Fernsehbilder von um ihre toten Kinder trauernden Eltern berührten mich als Mutter sehr. Wieviel Wünsche und Hoffnungen wurden durch den Krieg zerstört?
Es fällt mir schwer, in solchen für die Existenz der Menschheit tragischen Zeiten über mein Leben zu reflektieren, Zukunftsvorstellungen zu äußern. Mein eigenes Leben? Ich wuchs in den sechziger Jahren in einer mittelgroßen, eigentlich eher kleinen Stadt an der Ilm auf. An Kinderkrippe und Kindergarten verbinden sich kaum Erinnerungen. Lediglich ein Dutzend Bilder, auf denen mich ein strahlendes Kindergesicht anschaut, und die Erzählungen meiner Mutter dokumentieren diese Zeit. Es folgten zwölf Schuljahre. Jahre, in denen ich immer nach einer Freundin und (spätestens als ich 15 Jahre alt war) nach einem Freund suchte, die ich erst viel später finden sollte. Das Lernen bereitete mir keine Probleme. Den größten Teil meiner freien Zeit widmete ich der Leichtathletik (Täglich trainierte ich hart.) und der Literatur. Träume hatte ich bis zum Abitur viele: Ich wollte an Olympischen Spielen teilnehmen, Ärztin, Schriftstellerin werden.
Von 1979 bis 1984 studierte ich in Jena Klassische Philologie/Deutsche Literatur. In dieser Stadt packten mich zum ersten Mal Zweifel an meinen Fähigkeiten. Diese zu überwinden, kostete viel Kraft. In dieser Stadt lernte ich meinen Mann kennen, wurden unsere drei Töchter Claudia (7), Lisa (4) und Annemarie (fünf Monate) geboren, auf die wir sehr stolz sind. Und: In dieser Stadt wollen wir bleiben…
Nach Beendigung meines Studiums arbeitete ich als kulturpolitische Mitarbeiterin und als Leiterin des Kreiskabinettes für Kulturarbeit. Dabei lernte ich die verschiedensten Genres volkskünstlerischer Betätigung und viele engagierte Menschen kennen. Ich wurde aber auch konfrontiert mit staatlichen Kulturbeschlüssen und deren oftmals unmöglicher Realisierung, mit parteilicher Einmischung in kulturelle Belange, mit ihren Aufgaben nicht gewachsenen Mitarbeitern und in staatlichen Einrichtungen, wie ich heute weiß, üblichen Intrigen. Nach kurzem, vergeblichen Kampf dagegen gab ich auf, ging als Aspirant zurück an die Universität, wo ich noch (wie lange?) bin.
In die Welt der Vertreter, der geschniegelten und gebügelten Männer und Frauen, der Ellenbogen- und Müllgesellschaft bin ich hineingeraten, unkundig, mich in ihr zu bewegen.
Materielle Not kannte ich bisher nicht. Von meinem Verdienst und dem meines Mannes konnten wir gut leben. Jetzt beschäftigt mich immer mehr die Frage: Wie weiter?
Mein Mann hing Ende 1989 Doktorhut und Physikeranstellung an den Nagel und wollte als Bluegrassfiddler den Familienunterhalt verdienen. Bis zur Währungsunion ging auch alles gut, doch dann zerplatzte seine Vorstellung mit der Zahlungsunfähigkeit vieler ostdeutscher Unternehmen.
Ich bin auf der Suche nach Arbeit, innerer Ruhe, nach meinem im Frühjahr vergangenen Jahres verlorengegangenen Optimismus. Noch habe ich es nicht aufgegeben zu hoffen, zu träumen…
März 1991