Heike B., 28 Jahre, Grundschullehrerin
„Es ist so wichtig jemanden zu haben, der zu einen hält, dem man völlig offen gegenüberstehen kann.“
Ich bin jetzt 28 Jahre, Lehrerin, lebe seit sechs Jahren mit einem Mann zusammen. Wir haben zwei Kinder, fünf und drei Jahre alt.
Ich hatte eine ruhige Kindheit. Meine Mutter und meine Großmutter haben mich mit aller Liebe aufgezogen. Mein Vater ist Afrikaner. Als ich drei war, mußte er zurück in den Sudan. Meine Mutter sollte mit, hatte aber sicher nicht den Mut dazu, zumal sich ihre Familie massiv dagegen ausgesprochen hatte. So zog er sauer alleine ab und hat sich nie wieder gemeldet. Ich habe ihn nie vermißt. Es war normal für mich, daß ich ohne Vater aufwuchs.
Meine Mutter und Großmutter haben mich ziemlich streng erzogen. Ich machte keine großartigen Probleme, war gut in der Schule, eckte kaum an. Ich glaube ihre größte Sorge war wohl, daß ich mit meiner dunklen Hautfarbe nicht auch noch anderen Anlaß zum Tratschen geben sollte. Habe ich auch nicht gemacht. Ich war schüchtern, sagte nur was, wenn man mich fragte und hatte meine Erfolge. Im Mittelpunkt zu stehen, war mir damals schon zuwider. Manchmal bekam ich zu Hause große dickköpfige Wutausbrüche, aber sonst galt ich als nett und niedlich. Mir war das egal.
Als ich mit 17 ans Institut ging und im Internat lebte, war es im Großen und Ganzen auch noch so. Aber ich merkte, daß einem Ungerechtigkeiten widerfahren können und man vielleicht mal sagen müßte, wie blöd man das fände. Es ist mir unheimlich schwer gefallen, mich öffentlich zu äußern. Ich glaube, diese angepaßte Erziehung hatte bei mir sehr gut funktioniert.
Nach dem Studium mußte ich unbedingt von zu Hause weg. Ich wollte mich um jeden Preis von niemanden bevormunden lassen. Das war damals ein ziemlicher Schlag für meine Mutter. Aber ich habe es durchgesetzt. Und ich glaube, daß war der bisher wichtigste Schritt in meinem Leben. Ich habe angefangen zu arbeiten, bekam eigenes Geld, hatte eine kleine Bodenkammer für mich, konnte mich frei bewegen. Eine ganz tolle Zeit! Der i-Punkt kam auch noch mit meiner bisher größten Liebe.
Ich hatte immer ein gespaltenes Verhältnis zu Männern. Sie kamen mir meistens unheimlich aufdringlich vor. Es war manchmal richtig lächerlich und ich habe mir lange Zeit einen Spaß daraus gemacht. Ich kannte kein Leben mit Männern, vielleicht war es mir deshalb so egal. Bis doch einmal mein Herz mit dabei war und diesmal ich die Abfahrt bekam. Mein Selbstbewußtsein war total am Boden. Ich war so beleidigt und erniedrigt, daß ich mir schwor nichts auf die „große Liebe“ zu geben. Ich war ganz sicher, man könne von Männern nur enttäuscht werden.
Falk hatte es dann ganz schön schwer und ich habe mich lange dagegen gewehrt. Obwohl wir jetzt zwei Kinder haben, sehe ich unsere Beziehung als Versuch. Deshalb haben wir auch nicht geheiratet. Ich habe absolutes Vertrauen zu ihm. Eine ganze Menge habe ich ihm zu verdanken, was meine Entwicklung betrifft. Es ist so wichtig jemanden zu haben, der zu einen hält, dem man völlig offen gegenüberstehen kann. Es gibt keinen anderen, mit dem ich so reden kann, wie mir wirklich zumute ist. Und ich hatte noch nie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Sollte unsere Beziehung schief gehen, würde ich ihn gern als liebsten Freund behalten.
Die Sicherheit, die er mir gibt, machte es mir auch möglich, mich von Leuten zu distanzieren. Ich habe lange Zeit fast jeden toleriert. Meine Verklemmtheit erlaubte es mir einfach nicht, bestimmte Menschen zu verachten. Auch wenn es jetzt wieder intolerant ist: Diese Menschen, die darauf aus sind anderen ihre Meinung aufzuzwingen, mit flotten Sprüchen Schwächen vertuschen, sich Unzuverlässigkeiten leisten und mit einem Lächeln darüber hinweggehen, diese Leute verachte ich, weil sie so unehrlich sind. Es scheint so, als tun sie etwas mit dir gemeinsam, aber in Wirklichkeit tun sie es nur für sich. Diesen sogenannten interessanten Menschen stehe ich gerade jetzt nach der Wende, sehr skeptisch gegenüber. Wenn sie anfangen, ihr Ego zu pflegen, geht das immer mehr auf Kosten der nicht so vordergründig Originellen. Einige Leute, die ich kenne, die sich dauernd mit diesen unspektakulären Alltäglichkeiten herumschlagen, kaum Kraft und Zeit finden mal auszubrechen, und trotzdem in dem bißchen Zeit, das bleibt, mit Liebe und Wärme ihren Freunden gegenüberstehen, habe ich um einiges schätzen gelernt.
Ich will nie allein sein. Das ist nicht räumlich gemeint. Es gibt Zeiten, da kann ich niemanden um mich herum ertragen. Ich will nur wissen, daß irgend jemand zu mir gehört.
Ich hoffe, daß ich meine Ideale behalte. Ein paar sind nun schon weg. Ich glaube nicht mehr daran, daß es eine gerechte Welt für alle geben kann. Ich glaube auch nicht mehr daran, daß sich im Großen das Gute durchsetzt. Ehrlichkeit ist für mich sehr wichtig. Nicht diese vernichtende, die niemanden hilft. Auch wenn Ehrlichkeit für jemanden verletzend ist, möchte ich ihm dann noch in die Augen sehen können und hoffen, daß er damit zurechtkommt.
Ich möchte nie meinen Lebensmut verlieren. Wenn einem alles scheißegal ist, da ist man wahrscheinlich schon tot, bevor man wirklich gestorben ist.
Meine Kinder sollen nicht so werden, wie die Leute, von denen ich vorhin geschrieben habe. Sie sollen sich nicht anpassen um jeden Preis. Ich hoffe, sie wandern nicht auf einen anderen Kontinent aus oder vergessen mich.
Und ich möchte einfach mehr Zeit und Energie haben, um vielmehr von dem mitzubekommen, was das Leben so bietet. Ich würde gerne irgend etwas Neues lernen, vielleicht eine Sprache, mehr lesen, verreisen, mich mit Menschen unterhalten oder faulenzen.
Ich möchte unbedingt Klavier spielen lernen. Mal sehen, wie ich das alles mache. Neulich hat mich einer gefragt, wie das so ist, wenn man auf die 30 zugeht. Ich fühle mich gut, nicht alt. Mit 20 hätte ich das nicht gedacht.
März 1991
Ich hatte eine ruhige Kindheit. Meine Mutter und meine Großmutter haben mich mit aller Liebe aufgezogen. Mein Vater ist Afrikaner. Als ich drei war, mußte er zurück in den Sudan. Meine Mutter sollte mit, hatte aber sicher nicht den Mut dazu, zumal sich ihre Familie massiv dagegen ausgesprochen hatte. So zog er sauer alleine ab und hat sich nie wieder gemeldet. Ich habe ihn nie vermißt. Es war normal für mich, daß ich ohne Vater aufwuchs.
Meine Mutter und Großmutter haben mich ziemlich streng erzogen. Ich machte keine großartigen Probleme, war gut in der Schule, eckte kaum an. Ich glaube ihre größte Sorge war wohl, daß ich mit meiner dunklen Hautfarbe nicht auch noch anderen Anlaß zum Tratschen geben sollte. Habe ich auch nicht gemacht. Ich war schüchtern, sagte nur was, wenn man mich fragte und hatte meine Erfolge. Im Mittelpunkt zu stehen, war mir damals schon zuwider. Manchmal bekam ich zu Hause große dickköpfige Wutausbrüche, aber sonst galt ich als nett und niedlich. Mir war das egal.
Als ich mit 17 ans Institut ging und im Internat lebte, war es im Großen und Ganzen auch noch so. Aber ich merkte, daß einem Ungerechtigkeiten widerfahren können und man vielleicht mal sagen müßte, wie blöd man das fände. Es ist mir unheimlich schwer gefallen, mich öffentlich zu äußern. Ich glaube, diese angepaßte Erziehung hatte bei mir sehr gut funktioniert.
Nach dem Studium mußte ich unbedingt von zu Hause weg. Ich wollte mich um jeden Preis von niemanden bevormunden lassen. Das war damals ein ziemlicher Schlag für meine Mutter. Aber ich habe es durchgesetzt. Und ich glaube, daß war der bisher wichtigste Schritt in meinem Leben. Ich habe angefangen zu arbeiten, bekam eigenes Geld, hatte eine kleine Bodenkammer für mich, konnte mich frei bewegen. Eine ganz tolle Zeit! Der i-Punkt kam auch noch mit meiner bisher größten Liebe.
Ich hatte immer ein gespaltenes Verhältnis zu Männern. Sie kamen mir meistens unheimlich aufdringlich vor. Es war manchmal richtig lächerlich und ich habe mir lange Zeit einen Spaß daraus gemacht. Ich kannte kein Leben mit Männern, vielleicht war es mir deshalb so egal. Bis doch einmal mein Herz mit dabei war und diesmal ich die Abfahrt bekam. Mein Selbstbewußtsein war total am Boden. Ich war so beleidigt und erniedrigt, daß ich mir schwor nichts auf die „große Liebe“ zu geben. Ich war ganz sicher, man könne von Männern nur enttäuscht werden.
Falk hatte es dann ganz schön schwer und ich habe mich lange dagegen gewehrt. Obwohl wir jetzt zwei Kinder haben, sehe ich unsere Beziehung als Versuch. Deshalb haben wir auch nicht geheiratet. Ich habe absolutes Vertrauen zu ihm. Eine ganze Menge habe ich ihm zu verdanken, was meine Entwicklung betrifft. Es ist so wichtig jemanden zu haben, der zu einen hält, dem man völlig offen gegenüberstehen kann. Es gibt keinen anderen, mit dem ich so reden kann, wie mir wirklich zumute ist. Und ich hatte noch nie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Sollte unsere Beziehung schief gehen, würde ich ihn gern als liebsten Freund behalten.
Die Sicherheit, die er mir gibt, machte es mir auch möglich, mich von Leuten zu distanzieren. Ich habe lange Zeit fast jeden toleriert. Meine Verklemmtheit erlaubte es mir einfach nicht, bestimmte Menschen zu verachten. Auch wenn es jetzt wieder intolerant ist: Diese Menschen, die darauf aus sind anderen ihre Meinung aufzuzwingen, mit flotten Sprüchen Schwächen vertuschen, sich Unzuverlässigkeiten leisten und mit einem Lächeln darüber hinweggehen, diese Leute verachte ich, weil sie so unehrlich sind. Es scheint so, als tun sie etwas mit dir gemeinsam, aber in Wirklichkeit tun sie es nur für sich. Diesen sogenannten interessanten Menschen stehe ich gerade jetzt nach der Wende, sehr skeptisch gegenüber. Wenn sie anfangen, ihr Ego zu pflegen, geht das immer mehr auf Kosten der nicht so vordergründig Originellen. Einige Leute, die ich kenne, die sich dauernd mit diesen unspektakulären Alltäglichkeiten herumschlagen, kaum Kraft und Zeit finden mal auszubrechen, und trotzdem in dem bißchen Zeit, das bleibt, mit Liebe und Wärme ihren Freunden gegenüberstehen, habe ich um einiges schätzen gelernt.
Ich will nie allein sein. Das ist nicht räumlich gemeint. Es gibt Zeiten, da kann ich niemanden um mich herum ertragen. Ich will nur wissen, daß irgend jemand zu mir gehört.
Ich hoffe, daß ich meine Ideale behalte. Ein paar sind nun schon weg. Ich glaube nicht mehr daran, daß es eine gerechte Welt für alle geben kann. Ich glaube auch nicht mehr daran, daß sich im Großen das Gute durchsetzt. Ehrlichkeit ist für mich sehr wichtig. Nicht diese vernichtende, die niemanden hilft. Auch wenn Ehrlichkeit für jemanden verletzend ist, möchte ich ihm dann noch in die Augen sehen können und hoffen, daß er damit zurechtkommt.
Ich möchte nie meinen Lebensmut verlieren. Wenn einem alles scheißegal ist, da ist man wahrscheinlich schon tot, bevor man wirklich gestorben ist.
Meine Kinder sollen nicht so werden, wie die Leute, von denen ich vorhin geschrieben habe. Sie sollen sich nicht anpassen um jeden Preis. Ich hoffe, sie wandern nicht auf einen anderen Kontinent aus oder vergessen mich.
Und ich möchte einfach mehr Zeit und Energie haben, um vielmehr von dem mitzubekommen, was das Leben so bietet. Ich würde gerne irgend etwas Neues lernen, vielleicht eine Sprache, mehr lesen, verreisen, mich mit Menschen unterhalten oder faulenzen.
Ich möchte unbedingt Klavier spielen lernen. Mal sehen, wie ich das alles mache. Neulich hat mich einer gefragt, wie das so ist, wenn man auf die 30 zugeht. Ich fühle mich gut, nicht alt. Mit 20 hätte ich das nicht gedacht.
März 1991