Stephanie K., 23 Jahre, Dipl.-Ing., arbeitslos

„Es ist, als ob man die Welt durch den Glauben in einem ganz anderen, viel hellerem Licht, sieht. Mit einem Licht, das es möglich macht, auch hinter und um die „Ecken“ des Lebens zu sehen.“

Bewußt zu leben begonnen habe ich während der Lehre, 1984 oder 1985 im Frühjahr. Die Berufsschule lag am Rande der Stadt, fern vom Stadtmief und Autokrach mitten in einem kleinen Wäldchen. Die Schule war ein langgestreckter Flachbau. Fast jedes Klassenzimmer hatte eine Tür zum Wäldchen raus. Für die meisten von uns hatte diese Lage mitten in der Natur ganz bestimmt einen positiven Einfluß auf die Lernfreudigkeit. Auch das Klima zwischen den Lehrlingen und Lehrern, aber auch zwischen den Lehrlingen untereinander, unterschied sich wesentlich von der 10-Klassenschule. All das, und wohl auch der beginnende Wandel vom Kind zum jungen Mädchen, führete bei mir zu einer Art „Erwachen“.

Das erste Mal in meinem Leben habe ich die erwachende Natur im Frühling, die wachsenden Blumen, das Grünen der Bäume und das Piepsen und Zwitschern der Vögel so ganz bewußt miterlebt. Über Werte habe ich während dieser Zeit noch nicht groß nachgedacht. Ich freute mich einfach an der Natur. Alles andere ringsum: Lehre und Elternhaus war einfach so wie es war, ganz normal und selbstverständlich.

Etwas später, mit 18, lernte ich einen netten jungen Mann kennen. Zusammen mit seinen zwei charmanten Freunden waren wir fast jedes Wochenende in der Sächsischen Schweiz klettern. Ich war sehr glücklich. Das Schönste beim Klettern war die Gemeinschaft untereinander. Man konnte und mußte sich hundertprozentig auf den anderen verlassen können. Das war nicht nur beim Klettern so, sondern auch bei allem Anderen, was man zusammen unternahm.

Eine ganze Weile verlief mein Leben in diesen Bahnen und ich genoß es und freute mich daran. Auch die ersten zwei Studienjahre verlebte ich so, ohne mir groß Gedanken über den Sinn des Lebens zu machen. Der größte Teil des Lebens war ja sowieso in der damaligen DDR vorgeschrieben: Lehre mit Abitur -> Studium -> Arbeiten bis zur Rente. Das jeder trotz vorgeschriebener Bahnen trotzdem Eigenverantwortung für sein Leben und Handeln hat, kam mir damals noch nicht in den Sinn.

Im Januar 1988 begann eine Wende in meinem Leben und Denken. Für unser ganzes Studienjahr, ca. 60 Studenten, wurde für zwei Wochen ein Kulturpraktikum auf der Leuchtenburg bei Jena durchgeführt. Dieses Kulturpraktikum war einmalig in der DDR. Ins Leben gerufen wurde es vor vielen Jahren von einem ganz liebenswürdigen älteren Professor. Wir einseitig technisch belichteten Studenten lauschten ihm andächtig in all seinen Vorlesungen während dieses Kulturpraktikums. Er hatte eine wunderschöne Eigenschaft: Immer wenn er über Menschen erzählte, erzählte er so, daß man sie liebgewann. Eines Abends spielte jemand Klavier und sang ganz speziell für mich ein kleines christliches Jugendlied. damals schrieb ich in mein Tagebuch: „Es war so ein kleines, einfaches, schlichtes, liebes Lied, mit dem er mich mitnahm in eine große, unbekannte, seine Welt, in der er und für die er lebte und lebt. Dieses kleine Lied machte alles so einfach, ich ließ mich einfach „bei der Hand nehmen“ und folgte ihm in diese Welt, wenn auch etwas ängstlich, sobald er Jesus Christus sang.“ Es war das erste Mal, daß ich diesen Namen Jesus Christus bewußt hörte, wenn ich auch vorerst nicht weiter darüber nachdachte.

Zwei Monate später finde ich folgened Gedanken in meinen Tagebuch: „Seit einiger Zeit habe ich jetzt jeden Tag, meistens abends, in der Bibel gelesen. Wenn ich sehr müde war, nur ein kleines Stück, sonst ein bißchen mehr. nicht einfach als historischen Roman, sondern um die Stimme zu hören, die aus diesen Worten und dazwischen spricht.“ Und einige Zeit später: „Es ist alles so groß und neu für mich, ganz anders (als früher). Ich kann nicht einfach sagen von Heute auf Morgen: Ich glaube von jetzt an an Gott, denn wenn ich es einmal sage, dann soll es auch Ernst sein und mein Herz dahinter stehen. Aber ich glaube, ich möchte es einmal sagen können.“

Ich machte eine erstaunliche Entdeckung: Viele Werte, Gedanken und Sehnsüchte, an deren Wahrheit ich ganz tief in meinem Herzen geglaubt, jedoch nie vollständig bei einem Menschen erlebt hatte, fand ich hier in der Bibel schwarz auf weiß wieder. Und noch etwas faszinierte mich: Die Bibel redete zu mir in einer ganz einfachen, schlichten, aber doch sehr klaren und deutlichen Sprache der Wahrheit. Ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich verschlang die Bibel mit einem Heißhunger, den ich nie für möglich gehalten hätte.

Am 10. Oktober 1988 war der entscheidende Wendepunkt in meinen Leben. Ich antwortete auf das Rufen Gottes, das ich aus der Bibel hörte mit „Ja. Ich wollte nicht mehr zwischen den zwei Welten auf Niemandsland stehen. Ich wollte mich ganz Jesus anvertrauen und ein Kind Gottes sein.“ Seit diesem Tag zog ein tiefer Friede in mein Herz ein, der mich seitdem nicht wieder verlassen hat. Auf keinen Fall hörten an diesem Tag die Probleme auf. (Im Gegenteil!) Aber es war eine ganz wunderbare Erfahrung, gerade in schweren Zeiten Gottes Nähe und Hilfe zu erfahren. Es ist, als ob man die Welt durch den Glauben in einem ganz anderen, viel hellerem Licht, sieht. Mit einem Licht, das es möglich macht, auch hinter und um die „Ecken“ des Lebens zu sehen. Sehnsüchte, die man auf vielerlei weise zu befriedigen versucht hat, aber immer wieder an Grenzen gestoßen war, wurden plötzlich gestillt.

Ein Jahr nach meiner „Wende“ kam eine Wende anderer Art für Deutschland: die letzten Todeskämpfe der sozialistischen DDR und die Vereinigung Deutschlands. Gerade in diesen ungewissen, unbeständigen und sehr wechselhaften Verhältnissen seit der Wende, bin ich sehr dankbar für den festen und sicheren Halt, den ich als gläubige Christin in Jesus habe. Durch das Wort Gottes in der Bibel habe ich jetzt ein beständiges Wahrheitskriterium, unabhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen und dem jeweils herrschenden Staatssystem, an dem ich das Handeln der Menschen, das politische Weltgeschehen und vor allem auch mich selbst prüfen kann. So wurde ich in der Phase der „Schönmalerei“ am Anfang der politischen Wende davor bewahrt, die Vereinigung Deutschlands als „DIE“ Lösung aller Probleme unseres dahin kränkelnden Landes zu betrachten.

Jetzt, wo sich im östlichen Teil Deutschlands zunehmender Pessimismus breit gemacht hat, hilft mir Gottes Wort, auch diese Umstände nüchtern zu sehen und mit dem Wissen um die gewaltige Macht Gottes trotzdem ruhig, sicher und zuversichtlich Schritt für Schritt weiter zu gehen und nicht zu verzagen. Einfach, weil ich weiß, daß Gott mein Leben und meinen Weg fest in seiner Hand hält. Es gibt für mich nichts Kostbareres, als die wahren Worte Gottes an den Menschen, die seit Beginn der Menschheit bis in alle Ewigkeit Bestand haben. SEIN Wort ist der schönste Liebesbrief, den ich je erhalten habe. In diesen Worten Gottes liegt der einzige Weg, das zu finden, was wir alle suchen und nur so wenige finden: Freude, Friede, vollkommene Geborgenheit, ungeachtet der äußeren Lebensumstände

März 1991