Jana S., xx Jahre, Promotionsstipendiatin
„Persönlich wünsche ich mir, weiterhin auf dem ‚Gebiet der ehemaligen DDR arbeiten und leben zu können, denn ich fühle mich hier zu Hause, habe hier meine Familie, Freunde und bin hier verwurzelt.“
Frühling. Zeit des Erwachens. Nicht nur in der Natur. Auch bei uns scheinen die Menschen wieder zu erwachen. Aus dem Traum von Reichtum und Geborgenheit, der für viele zum Alptraum von Arbeitslosigkeit und Existenzangst wurde.
Frühling. Zeit der Hoffnung. 1985 – Gorbatschow, Perestroika, Glasnost ich erlebte die Euphorie der Menschen in der Sowjetunion, die hofften, den Sozialismus besser zu machen, die lernten, mit der Wahrheit zu leben, die von ihren demokratischen Freiheiten Gebrauch machten. Auch ich lernte viel dazu, bekam einen ganz anderen Blick für viele Dinge, besonders für mein kleines Land und es tat mir in der Seele weh, wenn ich von seinen großen Erfolgen las, Verwandte und Freunde ganz anderes berichteten. Bei meinen Besuchen spürte ich immer mehr, daß im „gelobten“ Land vieles faul war und daß es so nicht mehr weitergehen konnte.
Ab 1988 Zuspitzung der Situation. Sputnikverbot, China, Massenflucht. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum maßten sich diese meine Genossen an, über das Leben anderer zu entscheiden? Warum haben wir nicht genügend dagegen. unternommen?
Montagsdemos, Demos, 4. November 1989 – Demo in Berlin endlich sollte sich auch in der DDR der Traum von Demokratie, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, menschenwürdigem Dasein erfüllen. Wir brachen auf, die DDR und den Sozialismus umzugestalten. Doch schon bald sprach man von der Wende. Eigentlich hätte mir schon damals klar sein müssen, daß dieses Wort die Bewegung in eine entgegengesetzte Richtung impliziert, oftmals eine Umkehr. Die war dann bei vielen eine Abkehr von den bisherigen Werten, von ihrem Land. Warum hatten. wir es zu dieser Verbitterung der Menschen kommen lassen, die in Haß umschlug auf alles gewesene, auf unser Land?
Maueröffnung, Wahlkampf, Einheitstaumel – nur noch wenige, die an eine Weiterexistenz der DDR glaubten. Als dann auch H.Modrow von Wiedervereinigung sprach war ich schockiert.
18. März 1990 erste freie und demokratische Volkskammerwahlen, die Mehrheit entschied sich für die CDU und gegen die DDR. Für mich brach eine Welt zusammen.
Nun bin ich schon reichlich fünf Monate Bundesbürger, fühl‘ mich aber immer noch als Ossi. Diese Bezeichnung diskreditiert mich keineswegs – schließlich bin ich im nun an das Bundesgebiet angeschlossenen Osten aufgewachsen, habe diese Gegend und ihre Menschen kennen und lieben gelernt, wurde durch die DDR geprägt. Ich bin nicht bereit, fünfundzwanzig Jahre meines Lebens zu verdrängen, zu verschweigen, als ob es sie nicht gegeben hätte. Den Traum von einer besseren, für alle Menschen würdigen Welt habe ich nicht aufgegeben. Die „soziale Marktwirtschaft“ wie ich sie täglich erlebe, ist für mich keine Alternative. Ich trauere der Vergangenheit nicht nach, aber es empört mich, daß alles, was die Menschen in der DDR geschaffen haben sinnlos gewesen sein soll, daß es scheinbar nichts Bewahrenswertes gibt. Ein Staat, der die Identität eines Teils seiner Bürger mit allen Mitteln zu zerstören sucht, der Vergangenheitsverdrängung, nicht aber Vergangenheitsbewältiung fördert, der eigene Fehler nicht zugibt, der zu einem Demokratisierungsprozeß nicht bereit ist, in dem wieder Andersdenkende ausgegrenzt werden, in dem die Diktatur einer Partei durch die Diktatur einer anderen Partei ersetzt wurde, in dem nur Geld zählt, ist überlebt, ist veränderungswürdig, braucht Alternativen. Wir können sie nur gemeinsam finden.
In vielen Städten finden wieder Montagsdemos statt. Die Menschen hier erwachen lösen sich von Illusionen, werden sich allmählich ihrer Menschenwürde als Ossi bewußt. Ich wünsche mir, daß diese ostdeutschen Demos gesamtdeutsche Zeichen setzen, daß wir über unseren Sorgen und Problemen den Blick für die Welt nicht verlieren. Persönlich wünsche ich mir, weiterhin auf dem ‚Gebiet der ehemaligen DDR arbeiten‘ und leben zu können, denn ich fühle mich hier zu Hause, habe hier meine Familie, Freunde und bin hier verwurzelt.
Es ist Frühling. Zeit der Hoffnung.
September 1990
Frühling. Zeit der Hoffnung. 1985 – Gorbatschow, Perestroika, Glasnost ich erlebte die Euphorie der Menschen in der Sowjetunion, die hofften, den Sozialismus besser zu machen, die lernten, mit der Wahrheit zu leben, die von ihren demokratischen Freiheiten Gebrauch machten. Auch ich lernte viel dazu, bekam einen ganz anderen Blick für viele Dinge, besonders für mein kleines Land und es tat mir in der Seele weh, wenn ich von seinen großen Erfolgen las, Verwandte und Freunde ganz anderes berichteten. Bei meinen Besuchen spürte ich immer mehr, daß im „gelobten“ Land vieles faul war und daß es so nicht mehr weitergehen konnte.
Ab 1988 Zuspitzung der Situation. Sputnikverbot, China, Massenflucht. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum maßten sich diese meine Genossen an, über das Leben anderer zu entscheiden? Warum haben wir nicht genügend dagegen. unternommen?
Montagsdemos, Demos, 4. November 1989 – Demo in Berlin endlich sollte sich auch in der DDR der Traum von Demokratie, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, menschenwürdigem Dasein erfüllen. Wir brachen auf, die DDR und den Sozialismus umzugestalten. Doch schon bald sprach man von der Wende. Eigentlich hätte mir schon damals klar sein müssen, daß dieses Wort die Bewegung in eine entgegengesetzte Richtung impliziert, oftmals eine Umkehr. Die war dann bei vielen eine Abkehr von den bisherigen Werten, von ihrem Land. Warum hatten. wir es zu dieser Verbitterung der Menschen kommen lassen, die in Haß umschlug auf alles gewesene, auf unser Land?
Maueröffnung, Wahlkampf, Einheitstaumel – nur noch wenige, die an eine Weiterexistenz der DDR glaubten. Als dann auch H.Modrow von Wiedervereinigung sprach war ich schockiert.
18. März 1990 erste freie und demokratische Volkskammerwahlen, die Mehrheit entschied sich für die CDU und gegen die DDR. Für mich brach eine Welt zusammen.
Nun bin ich schon reichlich fünf Monate Bundesbürger, fühl‘ mich aber immer noch als Ossi. Diese Bezeichnung diskreditiert mich keineswegs – schließlich bin ich im nun an das Bundesgebiet angeschlossenen Osten aufgewachsen, habe diese Gegend und ihre Menschen kennen und lieben gelernt, wurde durch die DDR geprägt. Ich bin nicht bereit, fünfundzwanzig Jahre meines Lebens zu verdrängen, zu verschweigen, als ob es sie nicht gegeben hätte. Den Traum von einer besseren, für alle Menschen würdigen Welt habe ich nicht aufgegeben. Die „soziale Marktwirtschaft“ wie ich sie täglich erlebe, ist für mich keine Alternative. Ich trauere der Vergangenheit nicht nach, aber es empört mich, daß alles, was die Menschen in der DDR geschaffen haben sinnlos gewesen sein soll, daß es scheinbar nichts Bewahrenswertes gibt. Ein Staat, der die Identität eines Teils seiner Bürger mit allen Mitteln zu zerstören sucht, der Vergangenheitsverdrängung, nicht aber Vergangenheitsbewältiung fördert, der eigene Fehler nicht zugibt, der zu einem Demokratisierungsprozeß nicht bereit ist, in dem wieder Andersdenkende ausgegrenzt werden, in dem die Diktatur einer Partei durch die Diktatur einer anderen Partei ersetzt wurde, in dem nur Geld zählt, ist überlebt, ist veränderungswürdig, braucht Alternativen. Wir können sie nur gemeinsam finden.
In vielen Städten finden wieder Montagsdemos statt. Die Menschen hier erwachen lösen sich von Illusionen, werden sich allmählich ihrer Menschenwürde als Ossi bewußt. Ich wünsche mir, daß diese ostdeutschen Demos gesamtdeutsche Zeichen setzen, daß wir über unseren Sorgen und Problemen den Blick für die Welt nicht verlieren. Persönlich wünsche ich mir, weiterhin auf dem ‚Gebiet der ehemaligen DDR arbeiten‘ und leben zu können, denn ich fühle mich hier zu Hause, habe hier meine Familie, Freunde und bin hier verwurzelt.
Es ist Frühling. Zeit der Hoffnung.
September 1990